Tagebuch

Planlos 17 :) – Part 1

Wenn ich morgens aufwache, fällt mein Blick als erstes auf mein Handy-Display. Die Uhrzeit checken. Daraufhin wandern meine Augen zu meiner Hündin Emma, die friedlich neben meinem Bett schläft. Dann werfe ich ein Weiteres mal einen Blick auf die Uhrzeit meines Handys, da ich sie zuvor nicht realisiert habe. Normalerweise springe ich an diesem Punkt zügig auf, um nicht nochmal einzuschlafen. Wobei es wirklich keinen Unterschied machen würde, ich bin nämlich im Grunde fast pünktlicher wenn ich Zeitdruck habe – aber nur fast. Wenn ich jedoch weder zu Minijob noch Schule muss, bleibe ich wahlweise bis 11 Uhr im Bett liegen um mir dann einen Pack Asia Nudeln mit Sojasoße zum Frühstück zu braten oder aber stehe um 8:30 auf um so viel wie möglich vom Tag zu haben. Zur Überraschung meiner Mutter und meinem ganzen Stolz kann ich ehrlicherweise behaupten, dass letzteres häufiger vorkommt.

Das meine Seele, mein Leben der Kunst gilt war schon immer offensichtlich. Und obgleich ich aus einer Künstlerfamilie stamme, wird mir davon abgeraten mich voll und ganz der Kunst hinzugeben. Schließlich kann es ja noch wesentlich schlimmer kommen als es war, aber mach dir keine Sorgen über die Zukunft Kind, du lebst im Jetzt. Vielleicht jedoch wird mir gerade weil ich aus einer Künstlerfamilie stamme davon abgeraten mein Leben der Kunst zu schenken. Wenn ich so darüber nachdenke, scheint es fast nur so logisch.., aber leider nicht Realitätsnah. Dafür lasse ich mich viel zu sehr von Gefühlen und Intuition leiten.

Also wenn ich dann mal nicht Musik höre und mir vorstelle ich wäre irgendeine Hauptfigur in Edits, dann arbeite ich tatsächlich an meinen Projekten. Schreibe stundenlang durch, bis meine Finger vom tippen zittern und starr sind. Zeichne und male düstere Gedanken in bunten Farben. Singe und mache Aufnahmen, bis Magenknurren auf den Audiospuren mich darauf aufmerksam macht, dass ich mal was essen sollte. Setze Szenen und Fotos um, für die ich die ganze Wohnung umräume, nur um dann einen Nervenzusammenbruch zu erleiden, weil ich zeitlich nicht hinkomme oder alles wiederholen muss.

Ich finde, ich habe ein geiles Leben. Alles andere zu behaupten wäre meckern auf hohem Niveau oder auch Menstruationslaunen-geschuldet. Dennoch gibt es Sachen, die mich jeden Tag aufs neue nervös werden lassen oder so richtig stressen, bis ich sie mal wieder kurzfristig verdrängt habe. Zahnarzt-Termine ausmachen ist so eine Sache, nur als kleines Beispiel. Oder auch die Zukunft, nur als etwas größeres Beispiel. Nichts stresst mich so sehr, wie der Gedanke an die Zukunft. Und das nicht etwa weil ich planlos, faul oder ängstlich bin, im Grunde bin ich sogar genau das Gegenteil. Ich habe verdammt viel vor in meinem Leben! Ich bin nicht gut in Sachen rechnen und planen, aber auch ohne dieses Talent weiß ich, dass all meine Vorhaben unmöglich in einem Leben umgesetzt werden können – zeitlich. Und trotzdem weigere ich mich mein Ziel zu zentrieren. Ja, ich weiß auch dass ich es früher oder später (und damit ist früher gemeint) muss, aber genau das stresst mich ja so.

Und während ich im Laufe meiner Schulzeit lernte geräuschlos zu essen, einen zehn Minuten Fußweg in zwei Minuten zurück zulegen, Hausaufgaben auf kreativste Weisen zu umgehen und zu schlafen mit offenen Augen, brachte ich mir zu Hause derweil philosophische Theorien bei, lernte neue Sprachen, arbeitete an Projekten die die Welt zu einem besseren Ort machen sollen und tobte mich kreativ aus. Im Grunde machte ich also all das zu Hause, was öffentlich “Schulaufgabe” ist. Jetzt wo wir also in 2022 angelangt sind ist es nicht verwunderlich, dass wir in Sport jedes Jahr dieselbe scheiße durchnehmen, nach einem veralteten System bewertet werden und aus Büchern lernen wo doch das Internet noch Neuland ist. Im Grunde brauchen wir Veränderung ja auch gar nicht, und wenn doch, kann es natürlich auch mal einen Schritt zurück gehen – America first! Passiert. Mal im Ernst, wäre ich in den USA Staatsbürgerin dürfte ich nach einer Vergewaltigung ein eventuell entstandenes “Kind” nicht abtreiben. Und ist es nicht schlimm, dass man eine Vergewaltigung häufig als Grund anbringen muss, weil Selbstbestimmung als Punkt wohl nicht ausreichend ist?

Wo wir schon bei Selbstbestimmung sind: Als kleines Kind bekam ich Shakira und Gloria Estefan zum einschlafen gespielt. Aufgewachsen unter Sängerinnen in Miniröcken und High-Heels, werde ich heute von meinem Papa angerufen wenn ich im Café sitze und mit meinen linken Freunden über die Möglichkeiten eines Atomkriegs diskutiere. Seine wichtige Mitteilung? Ich soll doch bitte die anzüglichen Bilder auf Instagram löschen, mich nicht so sexy präsentieren, das zieht die falschen Männer an. Wie gerne würde ich darauf reagieren können, dass es nicht so ist, dass es meine eigene Entscheidung ist was ich anziehe und poste, wie ich mich zeige. Letzten Endes will ich alles, nur nicht zustimmen, aber leider waren die ersten Dick-Pics in meinen DM´s als ich noch Soy Luna Unterwäsche trug.

Besonders lieben tue ich meine Freunde. Ich habe nicht wirklich viele, vermutlich sind sie mir gerade deshalb so wichtig. Ich höre zwar 24/7 Musik mit Kopfhörern über mein Handy und tagträume maladaptiv, dennoch kann ich meine mir Liebsten Menschen für zwei Wochen ignorieren ohne mich schlecht zu fühlen. (Und fühle mich dann schlecht, weil ich mich nicht schlecht fühle). Aber so aufgedreht ich auch für einige Wochen sein kann. Motiviert, extrovertiert, humorvoll, interessiert und selbstbewusst. So leer kann ich einen Tag später sein. Und dann zieht es sich, Minuten, Stunden, Tage, Wochen. Zeit verliert Bedeutung und ich lebe einen ewigen Kreislauf aus Leere, Wut, Frust, Angst, Leere. Dann kommen die ganzen Hobby-Psychologen und Gute-Frage-Diagnosen ins Spiel. Depressiv? Nein bipolar! Du bist nicht depressiv, schizophren, bipolar, hast ADHS oder bist psychopathisch veranlagt? Voll basic man… Ich frage mich ob, wenn endlich alle was diagnostiziert haben, der Tag kommt wo man “psychisch gesund” diagnostiziert bekommen kann.

Beziehungen, noch so ein nettes Thema. Damit kann man mich jagen. Ich reagiere auf jegliche Art der Berührung allergisch und reagiere mit Rückzug und ab dem Moment wo mich wer mag bin ich skeptisch oder verliere Interesse. Und kaum ist wer für mich faszinierend ist er schwul, vergeben, voll das Ar*ch oder wahlweise auf einem anderen Kontinent (”reisen” tut dir gut sagten sie) Geschädigt aus meiner ersten Beziehung habe ich keine Lust auf eine zweite – öffentlich. Insgeheim wünsche ich mir die Nähe und Vertrautheit nämlich wohl doch zurück. Ach wie schön es doch ist, Exfreunden alles in die Schuhe schieben zu können.

Kommen wir zu meinem Bruder. (Der Themenwechsel war ja noch mieser als mein Mathe) Man kann niemanden so hassen wie man seine Geschwister hasst. Ja ich weiß, was ihr jetzt denkt, aber “man kann niemanden so hassen wie seine Geschwister” muss nichts schlechtes heißen – höchstens ein bisschen. Ich kann niemanden so hassen wie meinen Bruder. Was der Satz eigentlich aussagen soll ist: Auch wenn mein Bruder mir – all die Haarbüschel die er mir je ausgerissen hat summiert – eine Glatze geschoren hat, mir mein Lieblings-Essen weg gegessen hat und mich vom anschreien heiser werden lassen hat, so gibt es doch keinen Menschen: Den ich so lieben könnte wie meinen Bruder.

Da ich meinen Bruder ungern das letzte Thema dieses Artikels sein lassen möchte, werde ich euch das Ergebnis meiner außerordentlich genauen Studie über meinen Lebensstil mitteilen: Seelenverwandte können auch Haustiere sein, Schokomuffins backen ist ein guter Ausgleich zum morden, mein Zimmer aufzuräumen ist nichts weiter als eine lose Idee im Raum der Zeit, gute Geschichten/Musik fungieren als Nahrung und noch buntere Kleidung kann nie schaden aber unter Umständen irritierend wirken auf Langweile und Alltag.

Ein Kommentar

  • Marvin :)

    Ein wirklich schöner Text, liest sich fast wie deine Biografie! Ich freue mich schon auf die nächsten Teile, aus dem Buch was sich dein Leben nennt 😉

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